Bodenarbeit und Gelassenheitstraining Teil V

Text: Anna Castronovo, Fotos: Heike Grütler

Seitenwind

In unserer Bodenarbeits-Serie habt Ihr schon einiges über richtiges Loben, über Hilfengebung, Führtraining und über die Gewöhnung an den Stick gelernt. Diesmal erfahrt Ihr, wie Ihr die Vorhand und die Hinterhand Eures Pferdes seitwärts weichen lassen könnt.

Jedes gut erzogene Pferd weicht, zum Beispiel am Putzplatz, auf leichten Druck mit der Hand seitwärts. Wir wollen aber, dass sich Euer Pferd nur auf einen Blick oder ein kleines Signal von Euch aus der Ferne dirigieren lässt und sowohl die Vorhand als auch die Hinterhand unabhängig voneinander seitwärts verschiebt, wenn Ihr das möchtet. Um dem Pferd begreiflich zu machen, was wir von ihm wollen, ist die richtige Hilfengebung entscheidend. Wichtig: Diese soll durch Bodenarbeit immer mehr verfeinert werden. „Ich gehe deshalb nach dem Vier-Phasen-Prinzip vor“, erklärt Pferdetrainer Michael Dold.

Hinterhandweichen

Phase 1 ist der Blick auf die Stelle des Pferdes, die weichen soll, verbunden mit der genauen Vorstellung davon, was man vom Pferd möchte. Phase 2 bedeutet, die Hand oder den Stick über die Stelle zu halten – noch ohne Berührung. Bei Phase 3 bewegt sich der Stick und erst bei Phase 4 berührt der Stick das Pferd. „Die Phasen konsequent einzuhalten ist wichtig, damit unsere Reaktionen für das Pferd vorhersehbar bleiben, und um ihm die Chance zu geben, bereits auf minimalen Druck zu reagieren“, erklärt Dold. Am allerwichtigsten ist es aber, bei der ersten eindeutigen Reaktion den Druck sofort wegzunehmen und zu loben. „Dann wird das Pferd sich immer mehr bemühen, alles richtig zu machen und genau darauf achten, welche feinen Signale wir ihm geben.“ Entscheidend dabei ist das perfekte Timing. „Interessanterweise fällt es den meisten Menschen viel leichter, Druck aufzubauen und Spannung zu halten, als im richtigen Moment wieder zu entspannen und dem Pferd dadurch Lob zu signalisieren“, sagt er. Deshalb ist es gerade am Anfang sinnvoll, mit einem erfahrenen Trainer zusammenzuarbeiten, der die Körpersprache des Menschen überprüft und beim Etablieren der Hilfengebung vom Boden aus hilft.

Vorhandweichen

Um die Vorhand weichen zu lassen, zeigt Ihr dem Pferd die Richtung an, in die es gehen soll und "verschließt" mit dem Stick den Weg in die andere Richtung.

Beim Vorhandweichen ist die Hilfengebung etwas anders. Phase 1: Stellt Euch frontal vor Euer Pferd und zeigt in die Richtung, in die das Pferd seine Vorhand bewegen soll. Euer Blick geht auf den Boden, und zwar genau an die Stelle, an die das Pferd seinen Huf setzen soll. Phase 2: Wenn das Pferd nicht reagiert, hebt Ihr den Stick auf der anderen Seite an und begrenzt damit die Schulter. Phase 3: Den Stick bewegen. Phase 4: Das Pferd mit dem Stick an der Schulter berühren. Auch hier gilt: Pausen und loben nicht vergessen.

Beide Übungen werden zunächst nur mit einzelnen Schritten erarbeitet. Hat das Pferd verstanden, was Ihr von ihm wollt, könnt Ihr Euch vorher überlegen, wie viele Schritte es machen soll. Drei oder fünf? Diese Anzahl müsst Ihr dann aber auch einfordern. „Gerade wenn das Pferd übereifrig wird, ist es wichtig, zwischendurch auch mal wieder nur einen einzigen Schritt abzurufen, um zu überprüfen, ob es auch wirklich auf die Signale achtet“, sagt Michael Dold.

Im Laufe der Zeit könnt Ihr die Übungen dann zu einer kompletten Vorhandwendung oder Hinterhandwendung ausweiten. „Die meisten Pferde gehen bei diesen Übungen zu viel vorwärts“, erklärt der Pferdetrainer. „Dann unterbrecht die Übung, schickt das Pferd wieder zurück auf seinen Platz und beginnt noch mal von vorne, eventuell mit weniger Schritten.“ Vor allem bei der Hinterhandwendung ist das Pferd oft schneller als der Mensch, der zudem noch einen größeren Radius mitlaufen muss – da müsst Ihr vielleicht etwas üben, bis Ihr Eure Bewegungen so koordinieren könnt, dass Ihr immer auf Eurer Position frontal vor dem Pferd bleibt. Aber mit etwas Geduld und Spucke klappt es bestimmt bald einmal ganz rundherum. Viel Spaß beim Üben!

Autor

Anna

Gelernte Journalistin, die ihre Leidenschaft zum Beruf gemacht hat: Anna schreibt über Reitlehre, Zucht & Sport, Medizin, Haltung & Fütterung. Sie reitet von Kindesbeinen an und besitzt ein eigenes Pferd.

Trainer

Michael Dold

Michael wuchs in einer Tiertrainerfamilie auf. Mit seiner Arbeit folgt er den Grundsätzen des Natural Horsemanship mit Einflüssen von Pat Parelli und Mark Rashid. Dabei ist er stets bemüht, Problemen mit Ruhe sowie Geduld zu begegnen und sie mit möglichst wenig Druck und viel Verständnis zu lösen. Weitere Infos findet Ihr unter www.nh-trainer.com.

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