Hilfe, mein Pferd hustet!

Text: Anna Castronovo

Foto: Joelle Lenz

Der Atemapparat ist eines der empfindlichsten Systeme im Pferdekörper. Atemwegserkrankungen treten häufiger im Winter auf, weil die Pferde dann vermehrt der trockenen und oft schlechten Luft in Stall und Halle ausgesetzt und zu wenig draußen sind. Schlechtes Stallklima und Staub belasten das Pferd vor allem in komplett geschlossenen Stallungen, wohingegen kalte Temperaturen nicht schaden! Husten entsteht meistens nicht dadurch, dass sich das Pferd erkältet, wie viele Menschen denken. Sondern im Gegenteil dadurch, dass es zu wenig Frischluft bekommt.

Wie könnt Ihr vorbeugen?

Gesunde Atemwege brauchen vor allem eins: frische Luft. Denn nur dann bleibt die Lunge frei von schädlichen Umweltbelastungen. Deshalb gilt als erste Maßnahme für die Vorbeugung: möglichst viel Bewegung im Freien.

Eine weitere wichtige vorbeugende beziehungsweise ergänzende Maßnahme sind Impfungen. „Meist ist der Startpunkt für Husten ein viraler Infekt, der das Deckgewebe in den Atemwegen schwächt, wodurch Allergene für einen Zeitraum von etwa sechs Wochen leichter eindringen können“, erklärt Dr. Bingold. Aus diesem Grund rät der Fachtierarzt dazu, Pferde gegen Influenza und Herpes impfen zu lassen. „Damit sind die schlimmsten viralen Keime als Auslöser für Atemwegsprobleme schon einmal stark ausgebremst“, sagt er.

„Viel frische Luft, staubarme Haltung, impfen und akuten Husten sofort tierärztlich behandeln lassen, damit er nicht chronisch wird“, lautet die Empfehlung von Dr. Christian Bingold für gesunde Atemwege.

Foto: Pferdeklinik Großostheim

Grundsätzlich schützt ein gutes Immunsystem vor Infekten. Dieses wird zum Beispiel empfindlich gestört, wenn das Pferd auskühlt. Deshalb nie ein verschwitztes Pferd im Zug stehen lassen!

In Zeiten, die stressig oder anstrengend für den Organismus sind, wie zum Beispiel nach einem Umzug oder im Fellwechsel, können auch spezielle Ergänzungsfuttermittel das Immunsystem des Vierbeiners unterstützen. Bewährt hat sich zum Beispiel Schwarzkümmel. Er soll das Immunsystem stärken und die Atemwege harmonisieren.

Akuter oder chronischer Husten?

Eine akute Erkrankung der Atemwege äußert sich meist in Form von Husten und Nasenausfluss. Ist dieser schleimig-wässrig, deutet das auf eine Viruserkrankung hin. Ist er gelblich und zäh, sind wahrscheinlich Bakterien die Übeltäter. Bei einer akuten Schädigung der Schleimhaut genügen schon geringe Reize, um Husten zu verursachen. Lässt der Husten nach, heißt das aber nicht unbedingt, dass die Krankheit abklingt. Im Gegenteil. Es kann auch bedeuten, dass der Husten chronisch wird. Denn: „Liegt eine lang anhaltende Verschleimung vor, dann hat sich die Lunge oft schon an den Reizzustand gewöhnt und der Husten wird flacher. Er ist dann nicht mehr so bellend wie in akuten Fällen und es bedarf häufig stärkerer Reize, um ihn auszulösen. Wenn diese Gewöhnung eintritt, lässt der Husten nach oder verschwindet, obwohl eine Erkrankung vorliegt, die im Hintergrund weiter schwelt“, erklärt Dr. Bingold. Pferdebesitzer sollten Husten deshalb immer vom Tierarzt behandeln lassen. „Viele gesundheitlichen Probleme könnten schneller gelöst werden, wenn die Besitzer ihre Tiere gleich medizinisch behandeln ließen“, appelliert der Tierarzt. Das heißt: sofort beim ersten Auftreten von Husten, und nicht erst, wenn das Pferd schon Fieber hat.

Wie wird Husten behandelt?

Eine akute Atemwegsinfektion kann durch Ruhe, viel frische Luft, leichte Bewegung (am besten lange Spaziergänge) und die Gabe von Schleimlösern gut behandelt werden. Liegt eine bakterielle Infektion vor, müssen auch Antibiotika verabreicht werden.

Schwieriger ist die Behandlung von chronischem Husten. Ist der erstmal da, gilt als wichtigste Therapie eine staubarme Haltung – ohne diese funktioniert auch keine weitere Behandlung, wie Bingold klar sagt. „Wenn die Ursache der Erkrankung nicht beseitigt wird, ist an eine Heilung nicht zu denken. Und diese ist in den allermeisten Fällen organischer Staub.“ Deshalb sei es die einfachste Diagnostik, das Pferd auf eine Offenbox mit staubarmer Einstreu sowie Fütterung umzustellen, sagt der Tierarzt. „Bei den meisten chronischen Hustern ist selbst ohne weitere Therapie nach wenigen Tagen eine wesentliche Besserung zu sehen. Der Tierarzt hat dann nichts mehr zu behandeln“, so Bingold.

Staubarme Haltung

Die schlechte Nachricht: Die weitaus höchste Staub-Konzentration findet sich im Heu – wohlgemerkt auch in qualitativ gutem Heu. An zweiter Stelle kommt das Stroh, und dann erst der übliche Reithallenstaub. „Selbst in einer Offenbox mit gutem Heu und Stroh übersteigt die Konzentration der Schadsubstanz Endotoxin im Staub die Grenze, der Baumwollfabrikarbeiter am Arbeitsplatz ausgesetzt sein dürfen“, weiß Bingold. „Die Arbeiter entwickeln bei höherer Exposition die gleiche Krankheit wie die Stallpferde. Der Fabrikarbeiter ist diesem Staub aber nur einige Stunden am Tag ausgesetzt, viele Pferde sind es 23 Stunden lang. Das zeigt sehr deutlich, wie wichtig die Staubreduzierung für erkrankte Pferde ist, denn diese reagieren auf den organischen Staub ja noch um ein vielfaches empfindlicher.“ Auch Pilzsporen spielen eine wichtige Rolle bei Atemwegsproblemen, und die sind im Heu ebenfalls in wesentlich größerer Menge zu finden als im Stroh.

Selbst qualitativ hochwertiges Heu weist hohe Staub- Konzentrationen auf. Eine gute Möglichkeit: Die Offenbox. Für chronische Huster kann aber selbst dort die Belastung noch zu hoch sein.

Foto: Anna Castronovo
Das Wässern des Heus bringt eine gewisse Staub-Reduzierung, die bei manchen Pferden ausreicht, um den Hustenreiz zu lindern.

Foto: Anna Castronovo

Voraussetzung für eine Heilung ist also eine gründliche Entstaubung. Das Heu zu wässern bringt eine gewisse Reduzierung, die bei manchen Pferden ausreicht. „Für viele Tiere ist diese Methode aber nicht adäquat“, mahnt Bingold. Sein Tipp: Eine Bedampfungsanlage. Diese kann man entweder kaufen oder mit Hilfe einer Tonne und eines Dampfgerätes (z.B. Dampfreiniger oder Tapeten-Ablösegerät) selbst bauen. Bei sehr empfindlichen Pferden muss die Einstreu durch entstaubte Hobelspäne, Hanfstroh, Leinstroh oder Strohpellets ersetzt werden. Die Fütterung sollte auf Silage, Heucobs und sauberes, unaufgeschütteltes Futterstroh umgestellt werden.

Bewegung

Auch Bewegung ist wichtig. „Im Gegensatz zur akuten Atemwegsinfektion, bei der die Pferde Ruhe brauchen, sollten Tiere mit chronischen Lungenerkrankungen so viel arbeiten, wie es eben mit ihrer Krankheit möglich ist, empfiehlt Bingold. Doch Vorsicht: Dabei dürfen sie nicht in Atemnot geraten! „Müssen Pferde die Luft nämlich in einer pumpenden Atemcharakteristik aus der Lunge pressen, wird erheblicher Schaden angerichtet, da die empfindlichen Lungenbläschen dem Druck nicht standhalten und platzen“, warnt der Fachtierarzt. Bei der Einschätzung der zumutbaren und förderlichen Belastung ist also größte Sorgfalt und gutes Einschätzungsvermögen angesagt. Trotzdem: „Je weniger die Lunge arbeitet und ventiliert wird, desto mehr Schleim sammelt sich dort an. Der effektivste Weg der Entschleimung ist also angepasste Arbeit ohne Überlastung der geschädigten Lunge“, erklärt Dr. Bingold. Und: „Ideal ist es natürlich, wenn die Bewegung draußen an der frischen Luft stattfinden kann.“

Medikamente

Die medikamentöse Therapie von chronischen Atemwegserkrankungen setzt an den drei Grundpfeilern der Erkrankung an: Verschleimung, Verkrampfung, Entzündung. „Eine erfolgreiche Therapie zielt auf alle drei Komponenten ab“, so der Tierarzt. Die wichtigsten Medikamentengruppen sind dabei Schleimlöser, Bronchodilatoren (Medikamente zur Erweiterung der Bronchien) und Kortison.

Kortison? Bei einer Recurrent Airway Obstruction (RAO, früher Dämpfigkeit) leider ja. „Kortisonpräparate bremsen den Einstrom von Entzündungszellen und die Freisetzung von Entzündungsbotenstoffen. Sie schützen die Atemwegsrezeptoren und verhindern somit Verkrampfungen. Außerdem reduzieren sie die Schleimproduktion“, zählt der Veterinär die positiven Eigenschaften des Medikamentes auf.

Viele Pferdebesitzer haben trotzdem Angst Kortison zu geben, da es erhebliche Nebenwirkungen (z.B. Hufrehe) haben kann. „Bei richtiger und zeitlich begrenzter Dosierung brauchen sich Großpferdebesitzer nicht vor Nebenwirkungen zu fürchten“, sagt Bingold dazu. Vorsicht sei allerdings bei Ponys und Pferden angebracht, die zu Hufrehe neigen.

Inhalieren

Die Medikamente können mit dem Futter oder mit dem Inhalator verabreicht werden. Inhalieren ist bei Atemwegserkrankungen grundsätzlich gut. „Das Problem bei der Vernebelung von Medikamenten ist lediglich die Partikelgröße der Nebeltröpfchen“, so der Fachtierarzt. „Sind sie zu groß, lagern sie sich schon in den oberen Atemwegen ab. Sind sie zu klein, werden sie wieder aus der Lunge herausgeatmet ohne sich dort niederzuschlagen. Das meiste landet dann in der Nase oder im Magen, weil es mit dem Schleim abgeschluckt wird.“ Er empfiehlt deshalb geeignete Atemmasken, mit denen es auch möglich ist, Medikamente aus der Humanmedizin beim Pferd anzuwenden. Bei der Therapie von Atemwegserkrankungen spielt auch die Lösung des Schleims eine wichtige Rolle. Das kann auch ohne Medikamente funktionieren: Durch die Inhalation mit physiologischer oder besser noch hypertoner Kochsalzlösung. Für Pferde mit chronischen Atemwegserkrankungen lohnt sich die Anschaffung eines Inhalators also auf jeden Fall.

Um Medikamente aus der Humanmedizin („Asthma Sprays“) beim Pferd zu verwenden, braucht man einen solchen Spacer.

Foto: Hippomed

Lungenspülung

Wenn eine extrem starke Verschleimung der Atemwege vorliegt, kann auch eine Lungenspülung helfen. Der Name trügt, denn dabei wird nicht die Lunge direkt gespült. Stattdessen wird über einen kurzen Zeitraum eine extreme Menge Flüssigkeit (rund 30 Liter) in den Kreislauf eingebracht, um so eine Überwässerung des Körpers zu bewirken. „Dann versucht der Körper, die Flüssigkeit über alle ihm zur Verfügung stehenden Wege auszuscheiden“, erklärt Bingold. „Einer dieser Wege ist die Lunge. Dabei wird Flüssigkeit durch die Atemwege ausgeschwitzt, wodurch sich der Schleim ablöst und abfließen kann.“

Alternative Therapien

Auch Homöopathie, Bachblüten-Therapie oder die Traditionelle Chinesische Medizin können die Vorbeugung und Behandlung von Husten unterstützen. „Eine tierärztliche Behandlung können diese alternativen Ansätze aber nicht ersetzen“, sagt Dr. Bingold klar. „Denn wenn bei chronischen Hustern ein dauerhafter Erfolg erreicht werden soll, gilt es, die Ursache abzustellen, und die ist und bleibt organischer Staub.“

Der Fachtierarzt bleibt deshalb bei seiner Empfehlung für gesunde Atemwege: viel frische Luft, staubarme Haltung, impfen und – wichtig – akuten Husten sofort tierärztlich behandeln lassen, damit er gar nicht erst chronisch wird.

Die wichtigsten Maßnahmen bei chronischem Husten: Das Pferd in eine Offenbox stellen, staubarmes Einstreu und Fütterung umstellen. Oft ist ohne weitere Therapie nach wenigen Tagen eine wesentliche Besserung zu sehen.

Foto: Castronovo

Autor

Anna

Gelernte Journalistin, die ihre Leidenschaft zum Beruf gemacht hat: Anna schreibt über Reitlehre, Zucht & Sport, Medizin, Haltung & Fütterung. Sie reitet von Kindesbeinen an und besitzt ein eigenes Pferd.

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