Text: Anna Castronovo
„Pferde können, wenn sie grundsätzlich eine positive Beziehung zum Menschen haben, auch mit drei oder vier Jahren noch viel lernen“, sagt Pferdetrainerin Sigrid Schneider. „Aber in ihrer Fohlenzeit werden Referenzpunkte gesetzt, auf die sie immer wieder zurückkommen, egal ob sie positiv oder negativ sind.“ Einfach ausgedrückt: Macht ein Pferd in seiner Kindheit schlechte Erfahrungen, wird es in Stress-Situationen auf negative Verhaltensweisen zurückfallen. Lernt ein Fohlen jedoch, dass es dem Menschen vertrauen kann, was immer auch geschieht, wird die gesamte Ausbildung viel unkomplizierter verlaufen.
Das Wichtigste zuerst: Fohlen können sich nur ganz kurz konzentrieren. Deshalb ist es wichtig, dass die ersten Übungen immer nur wenige Minuten dauern. Das bedeutet aber nicht, dass Ihr Euch sonst nicht mit Eurem Baby beschäftigen dürft. Verbringt einfach Zeit im Stall oder auf der Weide, gemeinsam mit Mutterstute und Fohlen. Aber ohne etwas Bestimmtes von Eurem Fohlen zu wollen. Diese „forderungsfreie Zeit“, wie Sigi Schneider sie nennt, ist ideal, um sich kennenzulernen und Vertrauen aufzubauen.
„Beim Vertrauensaufbau spielt die Mutterstute eine entscheidende Rolle“, erklärt die Trainerin. „Denn sie zeigt dem Fohlen, wie man sich als Pferd gegenüber dem Menschen verhält. Stimmt die Beziehung zwischen Stute und Mensch, lernt auch das Pferdekind einen respektvollen Umgang. Und wenn Ihr Euch liebevoll mit der Stute beschäftigt, und sie das genießt, bekommt das Fohlen automatisch Vertrauen zu Euch. Klar: Bei allen Übungen muss die Mutterstute immer dabei sein, damit sich das Fohlen sicher fühlt und entspannt ist.
Egal wie süß Euch das Fohlen aus seinen Kulleraugen anschaut – Ihr müsst ihm von Anfang an Grenzen setzen. Denn es wird schnell groß und stark und kann, wenn es den Menschen zum Beispiel ansteigt, auch gefährlich werden. Die gute Nachricht: „Auch ein Fohlen kann bereits ein gutes Gefühl für Distanz und Nähe entwickeln“, sagt Schneider. Wichtig dabei: Die Grenzen müssen spielerisch und in einem verständlichen Rahmen gesetzt werden. Dazu gehört, mit sanften Signalen zu beginnen und sofort aufzuhören, wenn das Pferd reagiert. Kommt jedoch keine Reaktion, müssen die Signale so lange verstärkt werden bis sie erfolgt. „Die zwei Hauptfehler sind, dass die Leute das Signal zu früh wieder einstellen, nämlich bevor das Pferd reagiert hat. Oder dass sie den Druck nicht wegnehmen, wenn eine Reaktion kommt, weil sie diese gar nicht bemerkt haben.“
Im ersten Fall hat sich der Mensch nicht durchgesetzt und riskiert, dass ihn das Pferd nicht ernst nimmt und übergriffig wird. Das sind dann die Fohlen, die ständig knabbern und zwicken oder versuchen, Machtkämpfe auszutragen. „Das beginnt schon damit, dass das Fohlen auf den Menschen zukommt und der seine Füße wegbewegt. Das ist ein klares Zeichen dafür, dass der Mensch rangniedriger ist. Sich vom Pferd bewegen zu lassen, ist ein echtes Problem bei der Ausbildung, das viele Leute unterschätzen.“ Stattdessen soll der Mensch im wahrsten Sinne des Wortes bei seinem Standpunkt bleiben und das Pferd ruhig aber bestimmt wegschicken, wenn es in seine Privatzone eindringt. Klappt das, darf das Fohlen auch kuscheln und knabbern – aber eben nur, solange es dem Menschen gefällt.
Im zweiten Fall, wenn die Signale ständig weiter gegeben werden, obwohl das Fohlen schon reagiert hat, versteht es nicht, was der Mensch von ihm will und schaltet irgendwann frustriert ab. „Anfangs muss schon der kleinste Schritt belohnt werden, damit das Pferd weiß, dass es genau diese Reaktion war, die der Mensch wollte“, betont Schneider. Und natürlich, damit das Fohlen lernt, dass es positives Feedback bekommt, wenn es mit dem Menschen kooperiert. Deshalb: Konsequent Grenzen setzen, dabei aber immer ruhig bleiben und nie unfair werden. Und natürlich: Viel loben!
Im nächsten Teil unserer Serie erklärt Pferdetrainerin Sigi Schneider die ersten richtigen Übungen, die ihr eurem Fohlen beibringen könnt.
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