Erstmals eine Chefin für das Haupt- und Landgestüt Marbach

Text: Eva Michaelis

Interview mit Frau Dr. von Velsen-Zerweck

Foto: Archiv Boiselle

Liebe Frau Dr. von Velsen-Zerweck, vielen Dank, dass Sie sich Zeit genommen haben unsere Fragen zu beantworten. Sie sind die erste weibliche Landoberstallmeisterin des Haupt- und Landgestüts Marbach. Was bedeutet dies konkret?

"Verantwortungsbereitschaft, Disziplin, Hingabe, Demut" Frau Dr. von Velsen-Zerweck spricht darüber, was Pferde uns lehren.

Foto: Stephan Grube, Greven

Frau Dr. von Velsen-Zerweck: Es bedeutet für mich, das Werk meiner 24 (männlichen) Vorgänger fortzuführen. Das Haupt- und Landgestüt Marbach steht seit den Anfängen um 1514 im Dienste der Pferdebranche des Landes.

Heute ist das Gestüt größter Ausbilder für den Beruf Pferdewirt in Deutschland mit über 40 Ausbildungsplätzen, bewirtschaftet rund 960 Hektar als Futtergrundlage für 550 Pferde, arbeitet mit zahlreichen Hochschulen und Institutionen im In- und Ausland zusammen.

Zugleich ist es Austragungsort bedeutender Veranstaltungen und Besuchermagnet im Biosphärengebiet Schwäbische Alb mit rund einer halben Million Besuchern pro Jahr. Gemeinsam mit der Belegschaft versuche ich den Spagat zwischen Erhalt und Förderung des lebendigen Kulturerbes und innovativer Weiterentwicklung des Landesbetriebes am Markt bei Erfüllung aller politisch und gesellschaftlich gestellten Aufgaben.

Das Angebot des Gestüts reicht über Hengststation, Stutenherden, Fohlenaufzucht, Ausbildung, bis hin zu Tourismus, Veranstaltungen und Turnieren, immer im Mittelpunkt das Pferd. Was macht Pferde für Sie so besonders?

Pferde begleiten mich schon mein ganzes Leben. Sie sind faszinierende Lebewesen, die einen viele Dinge lehren, die heute etwas „altmodisch“ klingen. Zum Beispiel Verantwortungsbereitschaft, Disziplin, Hingabe, Demut. Wenn man sie gut und fachgerecht behandelt, geben sie uns Menschen viel zurück – Zuneigung, Loyalität, Höchstleistungen im Sport, bei der Arbeit, im Therapieeinsatz.

Das Haupt- und Landgestüt Marbach beschäftigt 85 festangestellte Mitarbeiter und 40 Auszubildende zum Pferdewirt. Bleibt für Sie überhaupt noch Zeit auch selbst noch in den Sattel zu steigen?

Zum Reiten komme ich leider viel zu wenig. Als Landoberstallmeisterin hat man auch viele Ämter und ist viel im Lande unterwegs. Zum Beispiel bin ich zurzeit Präsidentin der Europäischen Staatsgestüte (ESSA). Für die Reiterei braucht man Zeit und einen etwas regelmäßigeren Tagesablauf, als ich es derzeit habe.

Das Pferd ist ja bekanntlich ein Fluchttier. Leider berichten die Medien immer wieder über schlimme Unfälle. Wie gehen Sie im Alltag mit dem Pferd als Fluchttier, dem Pferdesport als Gefahrensport und den vielen unterschiedlichen Pferden, Reitern und Fahrern auf Ihrem Gestüt um?

Sicherheit und qualifizierte Ausbildung werden bei uns im Gestüt groß geschrieben. Viele Unfälle können vermieden werden, wenn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gut ausgebildet sind, umsichtig und vorausschauend handeln und die Auszubildenden und Schüler entsprechend einweisen.

Wir investieren viel in gute Aus- und Fortbildung und in den vorbeugenden Arbeitsschutz. Zum Beispiel beschäftigen wir eine Fachkraft für Arbeitssicherheit und haben einen zusätzlichen Sicherheitsbeauftragten speziell für den Pferdebereich. Sie nehmen Gefährdungsbeurteilungen für den Umgang mit Pferden vor und schulen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entsprechend. Zudem finden jährliche Betriebsbegehungen statt, um Gefahrenquellen zu erkennen und auszuschließen. Hier berücksichtigen wir auch die besonderen Situationen bei Besucherverkehr, Veranstaltungen oder Baumaßnahmen.

Gekört: Aragon ist Altwürttemberger und gehört damit zu einer bedrohten Population.

Foto: Stephan Kube, Greven

Als Landoberstallmeisterin tragen Sie nicht nur die Verantwortung für Ihre Angestellten, sondern auch für das Wohlbefinden und die Gesundheit Ihrer Pferde. Worauf legen Sie besonders viel Wert in der Pferdehaltung?

Das Wort „Tierwohl“ ist heute in aller Munde, jeder redet über Tierschutz. Im Haupt- und Landgestüt Marbach leben wir verantwortungsvollen Umgang, fachgerechte Haltung und schonendes Training unserer Pferde seit Jahrhunderten und geben diesen Pferdeverstand von Generation zu Generation weiter. Unser tägliches Streben ist es, die uns anvertrauten Pferde und Menschen nach den überlieferten Grundsätzen der klassischen Reitkultur auszubilden und zugleich neueste wissenschaftliche Erkenntnisse einzubeziehen oder gemeinsam mit den Universitäten zu entwickeln. Pferde und Menschen brauchen eine persönlichkeitsfördernde Ausbildung in einem gesunden und anregenden Umfeld mit Freiheiten zur Entfaltung.

Foto: Archiv Boiselle

Für viele Unfälle und auch Krankheiten der Pferde gibt es bereits besondere Versicherungslösungen. Was wünschen Sie sich als Landoberstallmeisterin, passionierte Reiterin und Pferdeliebhaberin von der Versicherung?

Heute gibt es eine Vielzahl an Absicherungsmöglichkeiten für Gefahren wie Transport, Trächtigkeit, Unfall, OP oder das Leben als solches. Jeder Pferdebesitzer sollte individuell schauen, welche Absicherungen für ihn und das Pferd wichtig sind. Für unverzichtbar halte ich die Pferdehalter-Haftpflichtversicherung! Im Falle eines Schadens haften Pferdehalter in unbegrenzter Höhe mit Ihrem Vermögen. Hier sollten Pferdehalter unbedingt die notwendige Vorsorge treffen. Als Beirätin der Münchener und Magdeburger Agrarversicherung ist mir noch ein Punkt wichtig: Versicherungen müssen in erster Linie einfach zu handhaben und sollten immer leicht verständlich sein. Gut finde ich, wenn sich Pferdebesitzer online über Absicherungsmöglichkeiten informieren können!

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