Ein ganzes Leben lang - Der letzte Gang

Text: Anna Castronovo

Nicht schön aber wahr: Kaum ein Pferd stirbt eines natürlichen Todes. Über das Lebensende seines Vierbeiners sollte man sich deshalb rechtzeitig Gedanken machen. Damit erspart man seinem Pferd mitunter unnötiges Leid.

Foto: Pixabay

Keine Frage: Die Entscheidung zu treffen, wann das Ende des eigenen Pferdes gekommen ist, und wie es aussehen soll, ist für Pferdebesitzer oft schwierig. Wie emotional dieser Schritt ist, zeigt auch der Gesetzesentwurf, den das Bundeskabinett 2016 beschlossen hat. Darin wird festgelegt, dass Pferde nun auch – wie andere Haustiere – im Tierkrematorium eingeäschert werden dürfen. Die Deutsche Reiterliche Vereinigung begrüßt diese Entscheidung. „Für viele Pferdebesitzer hat das Pferd den Stellenwert eines Familienmitgliedes“, sagt FN-Generalsekretär Sönke Lauterbach dazu. „Die Einäscherung bietet nach dem Tod des Pferdes die Möglichkeit einer Tierbestattung, was sich eine zunehmende Zahl von Pferdebesitzern wünschen.“ Je nach Größe und Gewicht des Pferdes kostet diese 500 bis 1000 Euro.

Das Schwierigste ist für die meisten Pferdebesitzer sicherlich, den richtigen Zeitpunkt zu finden, das eigene Pferd gehen zu lassen. Dabei spielt auch der behandelnde Tierarzt eine wichtige Rolle – als Behandler und Berater, schließlich auch als derjenige, der das Pferd letztlich erlöst. Denn die meisten Pferdebesitzer entscheiden sich dafür, ihren Vierbeiner einschläfern zu lassen. „Laut Tierschutzgesetz darf ein Tier aber nur eingeschläfert werden, wenn eine zwingende Notwendigkeit oder ein vernünftiger Grund vorliegen“, erklärt Dr. Andreas Franzky, stellvertretender Vorsitzender und Leiter des Arbeitskreises Pferde der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz (TVT). „Das bedeutet, dass es nicht ohne behebbare Schmerzen, Leiden oder Schäden weiterleben könnte.“ Doch wer beurteilt das?

Klar, der Tierarzt hat die Fachkompetenz und auch die Pflicht, dem Besitzer die Diagnose und auch die Prognose mitzuteilen, ihn aufzuklären und zu beraten. „Doch die Verfügungsgewalt über das Pferd hat natürlich der Besitzer“, sagt Franzky. Und für den ist das eine sehr schwere Entscheidung. Denn wer möchte schon einen treuen Freund und Begleiter verlieren? Es kostet viel Überwindung, diesen Entschluss zu fassen. Vor allem bei chronischen Krankheiten, die sich zusehends verschlechtern, ist es schwierig, den richtigen Zeitpunkt für das Einschläfern des geliebten Tieres zu finden.

Tierärzte in der Zwickmühle

„Im Zweifel kann am ehesten der behandelnde Tierarzt diesen Zeitpunkt festlegen, da er einen neutralen Blick auf das Pferd hat und in der Lage sein muss, das Leiden eines Tieres unemotional einzuschätzen“, sagt Franzky. Das Problem ist nur, dass sich manche Pferdebesitzer trotz einer klaren Ansage des Tierarztes dagegen sperren, ihr Tier töten zu lassen. In diesem Fall ist ein Tierarzt verpflichtet, weiter auf den Besitzer einzuwirken. Die Krux an der Sache: Bei chronischen Beschwerden ist es im Zweifelsfall nicht beweisbar, wie stark die Leiden des Pferdes schon sind. Würde der Tierarzt ein solches Pferd gegen den Willen seines Besitzers einschläfern, wäre die Sachlage schwierig.

Trotzdem muss der Veterinär natürlich dafür sorgen, dass dem Pferd unnötige Leiden erspart bleiben. „Da fühlt man sich als Tierarzt schon manchmal in der Zwickmühle. Man lässt sich vielleicht dazu überreden, doch noch etwas länger Schmerzmittel zu geben, damit sich der Besitzer damit abfinden kann, dass es nun vorbei ist“, so Franzky. „Und denkt dann im Nachhinein, dass man das Tier schon früher hätte einschläfern müssen.“ Eine schwierige Situation.

„Die Verfügungsgewalt über das Pferd hat der Besitzer“, sagt Dr. Andreas Franzky, stellvertretender Vorsitzender und Leiter des Arbeitskreises Pferde der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz (TVT)

Foto: Privat

Die Entscheidung wird einem abgenommen, wenn ein Pferd an einer übertragbaren Seuche leidet – dann muss es sofort eingeschläfert werden. Oder wenn ein schwerer Unfall passiert, wie etwa ein Beinbruch auf der Koppel. „Wenn die Verletzung nicht mehr therapierbar ist, muss der Tierarzt das Pferd sofort einschläfern“, erklärt Dr. Andreas Franzky. „Wenn aber eine Behandlung möglich ist, muss das Pferd entsprechend notversorgt und gegebenenfalls mit Schmerzmitteln betäubt werden, bis der Besitzer seine Entscheidung trifft.“

Gut zu wissen: Ist der Besitzer bei einem Notfall nicht erreichbar, muss gegebenenfalls der Halter die Verantwortung übernehmen. Das ist in den meisten Fällen der Betreiber des Pensionsstalles, in dem das Pferd eingestellt ist. Dieser muss dann entscheiden, was zu tun ist. „Es empfiehlt sich, dieses Thema mit dem Stallbetreiber rechtzeitig zu besprechen und ihm vielleicht sogar eine entsprechende Vollmacht auszustellen, vor allem, bevor man in den Urlaub fährt, wo man vielleicht über einen längeren Zeitraum nicht erreichbar ist“, empfiehlt Dr. Franzky.

Arzneimittelbehandlung – Schlachttier ja oder nein

Im Equidenpass kann jeder Pferdebesitzer durch Unterschrift festgelegen, ob sein Pferd geschlachtet werden darf oder nicht. Der entscheidende Unterschied: Während ein Nicht-Schlachtpferd nur aufgrund unbehebbarer Leiden eingeschläfert werden darf, kann ein Schlachttier jederzeit getötet werden. Der zweite wichtige Punkt: Ein Schlachttier darf nicht alle Medikamente bekommen, damit sein Fleisch nicht mit schädlichen Substanzen belastet wird, die dann in die Nahrungskette gelangen würden. Entsprechend muss im Pass eines Schlachttieres die Medikation genau dokumentiert werden. „Wir Tierärzte empfehlen in der Regel, das Pferd als Nicht-Schlachttier eintragen zu lassen, weil dadurch die Medikation viel einfacher ist“, erläutert Dr. Franzky. Ein als Schlachttier ausgewiesenes Tier kann übrigens jederzeit zum Nicht-Schlachttier bestimmt werden. Ist ein Tier hingegen einmal als Nicht-Schlachttier eingestuft, so gilt dies unwiderruflich lebenslang und damit auch bei einem Halterwechsel.

Ob einschläfern oder schlachten, muss letztlich jeder Pferdebesitzer selbst entscheiden. „Beide Methoden sind, wenn sie fachmännisch durchgeführt werden, für das Pferd schnell und schmerzlos“, ist sich Franzky sicher. Sollte man sich dafür entscheiden, sein Tier schlachten zu lassen, sollte man jedoch unbedingt bis zum Ende bei ihm bleiben, um das Risiko zu vermeiden, dass es auf einen Transport ins Ausland gerät.

Pferdepass: An dieser Stelle im Pferdepass müssen Besitzer und Tierarzt unterschreiben, wenn das Pferd kein Schlachtpferd sein soll. Diese Entscheidung kann nicht mehr rückgängig gemacht werden.

Foto: Anna Castronovo

Einschläfern: „Schmerzfrei und reflexlos“

Fürs Einschläfern ist Pentobarbital das Mittel der Wahl. „Es sind mehrere Tierarzneimittel mit diesem Wirkstoff auf dem Markt, welche für die Euthanasie zugelassen sind“, sagt Franzky. Sie versetzen das Pferd zunächst in einen tiefen Schlaf, der dann rasch, schmerzfrei und reflexlos in den Tod übergeht. Bei nervösen oder aufgeregten Tieren ist eine vorherige Sedierung zu empfehlen. Das andere mögliche Medikament, das Kombinationspräparat T 61, ist umstritten. Es führt in Abhängigkeit der Dosis zu einer Lähmung zunächst der Gliedmaßen, dann der Rumpf- und der Atemmuskulatur. Deshalb darf T 61 zur Euthanasie mittlerweile nur noch in Kombination mit einer vorherigen Narkose verwendet werden.

Bitte auch daran denken: Wer eine Lebensversicherung für seine Pferde hat, sollte den Krankheitsverlauf rechtzeitig melden und mit dem Versicherer besprechen. Der Tod des Pferdes ist unverzüglich anzuzeigen. Eine solche Versicherung schützt zwar nicht vor dem emotionalen Verlust, aber doch vor dem finanziellen. Mit einer Pferde-Lebensversicherung der Münchener & Magdeburger erhält der Besitzer beim Tod des Pferdes – egal ob es aufgrund einer Krankheit oder eines Unfalls stirbt – den kompletten Wert des Tieres zurückerstattet. Mit Sicherheit ist der finanzielle Gegenwert kein Trost, aber doch hilfreich, wenn es darum geht, entstandene Tierarztkosten zu begleichen oder nach einiger Zeit einem anderen Pferd die Chance auf eine gemeinsame Zukunft zu geben.

Schließlich muss man trotz aller Trauer auch noch Folgendes berücksichtigen: „Wenn es planbar ist, sollte man Ort und Zeitpunkt der Euthanasie gut vorbereiten, damit auch die Abholung des eingeschläferten Pferdes so dezent wie möglich stattfinden kann“, empfiehlt Dr. Franzky. Der Kadaver muss mit einem speziell ausgerüsteten LKW von der Tierkörperbeseitigung abgeholt werden – das kann manchmal einige Tage dauern.

In ewiger Erinnerung

Entscheidet man sich hingegen für eine Bestattung im Tierkrematorium, wird die Asche des Pferdes entweder in einer Gedenkurne aufbewahrt oder verstreut. Ein schönes Andenken ist auch Schmuck aus Schweifhaaren oder einfach ein Hufeisen. Denn was bleibt, ist die Erinnerung an gemeinsame Zeiten – und vielleicht der tröstende Gedanke daran, dass man seinem Pferd einen letzten Dienst erwiesen und es von seinem Leid erlöst hat.

Foto: iStock

Autor

Anna

Gelernte Journalistin, die ihre Leidenschaft zum Beruf gemacht hat: Anna schreibt über Reitlehre, Zucht & Sport, Medizin, Haltung & Fütterung. Sie reitet von Kindesbeinen an und besitzt ein eigenes Pferd.

Kommentare

Einen Kommentar schreiben

* Pflichtfelder müssen ausgefüllt werden

Zurück